Held im eigenen Film
In dem großen Legendenschatz der Oligoamoren wimmelt es von Heroen und Ungeheuern, von Idolen, Sagengestalten und Monstern. Eine beliebte Gestalt, die an den Lagerfeuern besonders gerne beschworen wird, weil sich die Zuhörer*innen so sehr mit ihr identifizieren können, ist der schwarze Fledermausmann.
[Die Geschichte würde natürlich auch mit dem WunderWeib oder der DiversDiva als Protagonist*in funktionieren – aber heute möchte ich Euch die Geschichte so wiedergeben, wie ich sie von den Eingeborenen des entlegenen Eilands der Oligoamory selber zum ersten Mal gehört habe]:
Er ist ein Held.
Er ist der Fledermausmann,
der schwarze Chevalier.
Er gibt sein Bestes.
Er tut, was er tun muß:
das Richtige.
Er lebt für einen weiteren Tag.
Aber heute sitzt der Held grübelnd auf dem großen Wasserspeier aus Marmor, hoch über der Stadt und ist sehr nachdenklich. Denn in letzter Zeit scheinen seine Heldentaten nicht mehr so recht heroisch zu geraten – und er kann sich einfach nicht erklären, woran es liegt.
Er selbst weiß sich nichts vorzuwerfen: Er handelt, wie er seit jeher gehandelt hat, er ist mutig, er kämpft für das Gute – oder wenigstens für das, was er gestern noch dafür hielt.
Aber in den letzten Tagen scheint sein rastloser Einsatz immer weniger den beabsichtigten edlen Zielen zu dienen, denen sich der Fledermausmann aus eigenem Antrieb verpflichtet sieht.
So ist er doch eigentlich durch und durch das Ideal eines oligoamoren Beziehungsmenschen: Loyal, verläßlich, verantwortlich und integer.
Letztes Wochenende kam er also in dieser Weise von einem Treffen mit einem Paar – beide enge Liebste und Vertraute des Fledermausmannes. Es war ein intensives Wochenende, welches die Nähe und Intimität der Beziehung zwischen ihnen allen drei nochmals gestärkt hatte. Insbesondere zu der Frau konnte der Fledermausmann diesmal noch vertrautere Bande knüpfen, was ihm schon im Vorfeld für die gesamte Gemeinschaftlichkeit wichtig gewesen war.
Diese gesamte Gemeinschaftlichkeit hatte ihn ganz und gar erfüllt und auch auf dem Rückweg noch vollkommen in Bann geschlagen. Wie könnte er diesem einzigartigen Gefühl noch mehr Ausdruck verleihen und es in sich noch mehr steigern, jetzt, wo es ihn quasi von Kopf bis Fuß durchströmte? Er wäre nicht der Fledermausmann gewesen, wenn ihm dazu nichts eingefallen wäre: Noch vor der abendlichen Ankunft in seinem Geheimversteck wendete er sein dunkles Gefährt und sauste sogleich zu seiner dritten Liebsten, um mit ihr in dieser Nacht seine gewonnene Erfüllung zu teilen.
Am nächsten Morgen sah er im Spiegel nicht nur den Helden, der er war, sondern er spürte es auch in jeder seiner Fasern. Und darum lag die nächste oligoamore Heldentat wie selbstverständlich auf der Hand: Sofortige Transparenzherstellung und Teilen seiner Erlebnisse und Erkenntnisse mit seinen vorherigen Gastgebern. Heute mache ich alles richtig!
Was aber dann über unseren guten Fledermausmann hereinbrach, war nicht das, was er erwartet hatte. Denn gerade von der Frau seines dortigen Beziehungspaares wurde ihm ein gänzlich unheroisches Zeugnis ausgestellt: Wie er sich denn nach dem innigen Wochenende so bedürftig und so undankbar hätte aufführen können, daß er sich ja wohl in seinem Lustrausch und in seiner Unersättlichkeit noch auf der Rückfahrt an den nächsten Busen hätte werfen müssen? Ob ihm denn die intensive Nähe von Körper, Geist und Seele des Wochenendes so wenig bedeuten würden, daß es sie sofort mit der nächsten Sensation überschreiben müsste? Da sollte er einmal darüber nachdenken, ob es gut sei, wie beliebig er es mit seinen Liebsten halten würde…
Wenn es nur dabei geblieben wäre! Doch auch mit seiner dritten Liebsten schien er im Verlauf der Woche immer weiter vom selbstgesetzten Pfad der Tugend abzuweichen.
Mit ihr hatte er nämlich selbstverständlich auch eine Vereinbarung über Transparenz und Aufrichtigkeit – und so hatte er ihr nach und nach im Laufe des Montags das ganze Wochenende mit seinen Begebenheiten geschildert. Dabei war unserem Fledermausmann – achtsamer Beziehungsmensch der er ja war – aufgefallen, daß seine hiesige Liebste durchaus nicht alle Details so souverän verkraftet hatte, ja, daß er z.T. eine Spur von innerer Erschütterung, vielleicht gar von Ängstlichkeit oder Irritation an ihr wahrgenommen hatte. Ein klarer Fall für den Fledermausmann: Beziehungsleid erkannt – Beziehungsleid gebannt! Gerade darum war er doch ein oligoamorer Held, um tief eingelassen für Beständigkeit zu sorgen. Weiteren Nachfragen seiner Liebsten in den folgenden Tagen kam er nun mit weniger Einzelheiten und eher allgemeiner Beschreibung nach, um ihr quasi die Hand in einer für sie nicht ganz leichten Beziehungssituation zu halten und zu beweisen: Auf den Fledermausmann ist Verlaß als achtsamer Wächter und Wahrer deiner sensiblen Grenzen!
Doch am Donnerstag brach es dann wie ein Ungewitter seiner Liebsten über ihn herein: Daß sie diese ganzen Heimlichkeiten und das Würmer-aus der-Nase ziehen hinsichtlich x und y ganz schlimm fände. Daß er aus falsch verstandener Bevormundung ihr die ganze Wahrheit vorenthalten würde, ja es mit der Transparenz offensichtlich aalglatt halten würde. Wie überhaupt sein Verhalten in der Sache so wenig oligoamor sei…
Da war er dann auf seinen einsamen Wasserspeier geflohen, gebrochen, verzweifelt, sich mißverstanden fühlend. Nieselregen hüllt ihn ein und legt sich wie ein Schleier auf das Herz des schwarzen Chevalier. Wie hatte ein Held wie er nur so tief fallen können?
Die tragische Gestalt des Fledermausmannes in den oligoamoren Legenden ist für uns – wie auch für die gebannt lauschenden Zuhörer am Lagerfeuer – als Archetyp geradezu eine Art „Seelenverwandter“ und hat sehr viel mit uns selbst zu tun:
Denn Marshall B. Rosenberg erklärt anhand seines Modells der „Gewaltfreien Kommunikation“, daß nahezu alle Menschen für ihr Handeln normalerweise „sehr gute (persönliche) Gründe“ haben.
Wer diesen Satz jetzt schnell gelesen hat, die/den bitte ich, es nochmal zu tun – und dabei das Wort „gute“ liebevoll und ausdrücklich zu betonen, denn dies ist für das weitere Verständnis von äußerster Wichtigkeit!
Die psychologische Forschung (insbesondere die humanistische Psychologie mit den Vertreter*innen V. Satir, C. Rogers und A. Maslow) legt diesen „Guten Gründen“ das Vorhandensein universeller menschlicher Bedürfnisse zugrunde, die sich alle Mitglieder der Spezies „Homo sapiens“ zu erfüllen suchen (►Dazu zählen lebenserhaltende Bedürfnisse wie Luft, Wasser, Nahrung, Wärme, Licht und Schlaf; Bedürfnisse die Sicherheit und Schutz dienen – wie z.B. physische Gesundheit, Obdach und Privatsphäre; Bedürfnisse die Gemeinschaft und Beteiligung sicherstellen – wie z.B. Geborgenheit, Unterstützung und Kontakt; Bedürfnisse rund um Verständigung und Kommunikation – wie z.B. Aufmerksamkeit, Austausch, Wertschätzung und Aufrichtigkeit; Bedürfnisse hinsichtlich Zuneigung und Liebe – wie z.B. Angenommensein, Beständigkeit, Fürsorge oder Sexualität; Bedürfnisse bezüglich Erholung und Muße – wie z.B. Entspannung, Harmonie und Spiel; Bedürfnisse die Kreativität ausdrücken – wie z.B. Lernen, Selbstwirksamkeit, Spontaneität oder Eigenentfaltung; Bedürfnisse nach Autonomie und Identität – wie z.B. Selbstwert, Identifikation Erfolg oder Sinn – und auch Bedürfnisse der Lebensgestaltung und Sinnsuche – wie z.B. Bedeutsamkeit, Würde, Achtsamkeit und Kompetenz).
Diese allen Menschenwesen gemeinsamen „universellen“ Bedürfnisse sind aus sich selber heraus weder positiv noch negativ; jedoch motivieren sie uns Menschen zwecks Erfüllung zu bestimmten Handlungen.
Für unser gegenseitiges Verständnis, ja, für menschliche Kommunikation und Interaktion insgesamt könnte sich das grundsätzlich als phantastische Botschaft lesen: Wir alle haben die gleichen Bedürfnisse, wir alle sind gleich in unserem Streben nach Erfüllung dieser.
Was also ist zusätzlich zu beachten – wo steckt das „Häkchen“?
Darin, daß es im zweiten Schritt ganz wichtig zu beachten ist, daß sich die Art und Weise der Bedürfniserfüllung von Individuum zu Individuum sehr wohl unterscheidet. Folglich müssen wir zwischen „(universellem) Bedürfnis“ und „(individueller) Bedürfniserfüllstrategie“ trennen.
Was bedeutet, daß bei der Erfüllung also individuelle Prioritäten gesetzt werden.
Genau diese Unterscheidung zeigt, daß damit durchaus Konflikte entstehen können, wenn Bedürfniserfüllung z.B. auf Kosten anderer Lebewesen (und deren Bedürfnisse) betrieben wird.
Und die Tatsche, daß wir so zwischen „Motivation“ und „Strategie“ unterscheiden können, erlaubt uns, eine Ursache zu verstehen und sogar zu respektieren – aber gleichzeitig mit der Wirkung (auf uns bzw. die Umwelt) trotzdem nicht einverstanden sein zu müssen.
Kein Lebewesen, kein Mensch, hat also negative oder gar „böse“ Bedürfnisse – allerdings kann er/sie/es problematische Herangehensweisen zu deren Erfüllung wählen.
Doch selbst dabei ist es für einen einigermaßen gesunden Menschen immer noch fast ausgeschlossen, bei normal-unbewußtem Handeln wirklich abgrundtiefe Scheußlichkeiten zu vollbringen.
Denn die Hirnforschung der letzten Jahre (insbesondere J. Panksepp und T. Insel zu sozialer Anerkennung im hirneigenen Belohnungszentrum) und die Primatenforschung an unseren nächsten Verwandten (insbesondere F. de Waal) haben zusätzlich erwiesen, daß wir Menschen aufgrund unserer „Hordennatur“ normalerweise sehr stark nach der (positiv formulierten) Maxime „Was ich will, was man mir tu‘ – das füg‘ auch ich euch zu“ handeln. Heißt: Bei unserem Streben nach persönlicher Bedürfniserfüllung und persönlichem Nutzen sind wir aufgrund unserer biologischen und sozialen Komponenten fast immer sehr stark ebenfalls zu einem „Gruppennutzen“ motiviert, der am Ende natürlich auch wieder uns selbst zu Gute kommen könnte.
Fazit: Aufgrund unseres Strebens nach
persönlicher Bedürfniserfüllung und der daraus hervorgehenden
Motivation in Kombination mit unserer Tendenz zur Maximierung eines
möglichst umfassenden sozialen Wohlergehens sind wir buchstäblich
als handelnde Person „Held*in in unserem eigenen Film“.
Denn
das oben Dargelegte zeigt, daß die Wahrscheinlichkeit, daß hinter
nahezu jedem menschlichem Tun eine grundsätzliche „gute
Absicht“ steckt, die auf die Erhöhung von (irgendeinem)
Wohlergehen bzw. auf Zufriedenheit abzielt, exorbitant hoch ist.
Und
wiewohl insbesondere mediale Berichterstattung und Fiktion häufig
von der gegenteiligen Faszination leben, so bitte ich –
insbesondere in Liebesbeziehungen – zusammen mit Marshall
Rosenbergs Konzept von „Gewaltlosigkeit“ doch erst einmal dem
(sogar rational) viel naheliegenderen Vertrauen in die gute
Absicht Raum zu geben.
Was also selbst im Falle von eigener
Verletzung wenigstens bedeutet, zunächst ganz bodenständige, allzu
menschliche Faktoren für einen Konflikt / ein Unglück wie
Unbewusstheit/Unreflektiertheit, Bequemlichkeit, Ungenauigkeit,
Selbstvergessenheit oder Überforderung anzunehmen, statt grausame
Absicht und berechnenden Verletzungswillen zu vermuten.
Warum?
Meiner Ansicht nach ist der
Nutzen, den wir für unsere menschlichen Beziehungen aus so einer
Haltung eines eher wohlwollenden Vorvertrauens haben, dreifach.
- Erstens beeinflußt dies ganz direkt das Bild, welches wir uns in so einem Moment von dem abgelaufenen Vorgang, der handelnden Person und somit auch vom gesamten Film – also unserer Welt – machen: Da ist ein Mensch, der aus seiner Sicht so gut wie möglich versucht(e), seine Bedürfnisse zu erfüllen. Sie*Er will/wollte es irgendwie richtig machen. Wenn dies nicht gelungen ist – und es vielleicht sogar schmerzliche Kollateralschäden gab – so ist die handelnde Person dadurch eher ein „gefallener Held“, vielleicht auch ein gebrochener Held (wie eben der schwarze Chevalier oder viele andere Superhelden, die eine nicht-lineare Legende haben); nicht aber das planvoll Böse, nicht der Antagonist, nicht der Feind. Allein durch diese Haltung verhindere ich, daß ich selber in eine polare Welt aus „Gut vs. Böse“, „Richtig vs. Falsch“, „Schwarz vs. Weiß“ abtauche. Ich bleibe offen, kann differenzieren und weiter Schattierungen und Zwischentöne wahrnehmen. Das ist gut für Gehirn und Herz: Denn mein Gesamtgefühl von Selbstwirksamkeit und Sicherheit bleibt intakt.
- Zweitens erhält uns diese Sicht die Chance auf echtes Vertrauen, weil wir nicht „dichtmachen“, sondern verstehen wollen, was auf „der anderen Seite“ geschehen ist: Welche Bedürfnisse waren da denn nun eigentlich in Unterdeckung, daß es so gekommen ist? Allein schon dieses Interesse bildet nämlich genau genommen bereits die Knospe für eine entstehende Verbindung zum Gegenüber. Denn dadurch kann ein echter Prozess eingeleitet werden, indem das wechselseitige Verstehen der Motive und Motivationen in den Vordergrund rückt: Warum wurde so gehandelt? Und wie ist das bei Dir angekommen? Wer anfängt auf diese Weise zu denken, macht einen Dialog auf, in dem sowohl die „fremden“ als auch die eigenen Motive und Strategien zur Bedürfniserfüllung überdacht werden können.
Und wer gemeinsam so weit kommt, steht schon kurz vor einer Synthese und dem Ausstieg aus dem möglichen Konflikt: Gibt es vielleicht künftig ein Vorgehen, was uns beiden/allen (bedürfnis)gerecht werden könnte? - Drittens erhalten wir uns auf diese Weise die Perspektive wahrzunehmen, daß wir alle vermutlich vielfach gefallene oder gebrochene Held*innen (aber nichtsdestoweniger Held*innen!) sind, die trotzdem immer noch jeden Tag versuchen, wieder und wieder – auch unter widrigsten Bedingungen – ihr Bestmögliches zu geben. Damit gestatten wir uns und den Anderen, daß wir Fehler machen dürfen, daß wir bereit sind darin dazuzulernen und daß wir weiter streben und es erneut anpacken können. Und das ist definitiv ein wirklich heroischer Beitrag zu einer (mit)menschlicheren Welt.
Insbesondere was unsere Liebsten und Lieblingsmenschen angeht, können das alles enorm beruhigender Gedanken sein – gerade in Momenten, wenn irgendetwas nicht glatt läuft und die Welt kopfzustehen scheint. Denn in dieser Weise sind wir also alle stets wirkliche „Helden im Alltag“, die durch die Bedürfnisse hinter ihren „sehr guten Gründen“ sogar in einer Art „Menschheits-Liga“ nach gleichen Zielen streben, egal ob WunderWeib, MultiMann oder DiversDiva.
Nur in der Wahl unserer Mittel unterscheiden wir uns – aber unter Superhelden ist das ja auch wahrscheinlich, da wir alle mit ganz unterschiedlichen Biographien, Kräften und Begabungen ausgestattet sind.
So wie der Protagonist unserer obigen Geschichte.
Denn auch er lebt für einen weiteren Tag.
Da wird er das Richtige machen und tun, was er tun muß:
Er wird sein Bestes geben.
Er ist der Fledermausmann,
der schwarze Chevalier –
und er ist ein Held.
Danke an Richard David Precht und seine ausführlichen Gedanken zur Natur und Moral des Menschen in seinem Buch „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ (Goldmann 2010);
und an Marcel auf Unsplash für das passende Foto vom Helden-Graffito.
Ich habe einen Einwand gegen die Erklärung der Situation des oligoamoren Helden. Ich denke nicht, dass sich sein Handeln und vor allem das Ergebnis seines Handelns mit dem Maxim der Gewaltfreien Kommunikation, „gute“ Bedürfnisse – jedoch problematische Herangehensweisen zu deren Erfüllung, vollständig erklären lässt.
Unser Held meint, nach dem oligoamoren Prinzip „verantwortlich“ gehandelt zu haben – hat er meiner Meinung aber nicht. Er hat sowohl bei seiner dritten Liebsten, als auch später bei dem Paar, Verantwortung für die anderen Personen übernommen, die nicht seine war. Er ging von Erwartungen an seine Person aus, die offensichtlich gar nicht der Fall, oder einfach anders waren, und handelte sofort danach, anstatt die betreffenden Personen zu fragen, was sie sich jetzt von ihm wünschen. Damit hat er die betreffenden Personen ultimativ an der Anwendung der eigenen Verantwortung gehindert, also eine Situation erzeugt, in der sich die Gegenüber nicht ideal oligoamor verhalten konnten, was als Folge destruktive Verhaltensweisen im gesamten „gemeinsamen Wir“ auslöste.
Außer ich habe bei den oligoamoren Idealen etwas missverstanden?
Ich hätte mich unglücklich ausgedrückt, wenn ich das Handeln des „schwarzen Helden“ wirklich als exemplarisch „heldig“ (im Sinne von „vorbildlich“) mit dem Artikel ausgemalt hätte.
Nein, denn da stimme ich Dir ganz zu: Im Kontext der GfK operierte unser „Held“ in beiden (Beziehungs)Fällen im Bereich der Annahme. Und ebenfalls richtig: Er ersetzte in seinem Überschwang ebenfalls das „gemeinsame Wir“ genau durch diese „eigene Annahme“. Dadurch kam es zu einem Konflikt, für den er auch Auslöser war.
Ziel meines bLog-Eintrags war allerdings, diesen falsch verstandenen oder geradewegs unangebrachten „Heldenmut“ als menschliche Schwäche zu kennzeichnen, die uns allen einmal widerfährt – insbesondere in Momenten, wo wir für uns selbst von unserer „besten Absicht“ überzeugt sind.
Die „Gewaltfreie Kommunikation“ habe ich deswegen ins Spiel gebracht, weil Marshall Rosenberg darin selber zur Deeskalation empfiehlt, gerade im Konfliktfall vor allem mit Wohlwollen und dem Erkennen dieser „guten Gründen“, die dem konfliktträchtigen Handeln zugrunde lagen, zu beginnen. Denn die Alternative wäre ja, den „gefallenen Helden“ zum „Erzschrurken“ zu erklären – und ihm Verletzungswillen und Vorsatz zuzuordenen. Diese Herangehensweise würde vermutlich tiefer in jeden Konflikt führen, weil von da an versucht wird „Schuld“ zuzuweisen – und dies vergiftet das Klima zur Verständigung meist enorm.
Quintessenz: Ich wünsche, daß wir uns und unsere Beziehungsmenschen schlimmstenfalls als „gefallene Helden“ betrachten, die es eigentlich gut machen wollten – aber in voller menschlicher Betriebsblindheit mit Schwung die Stange gerissen haben. In dem Sinne sind wir alle gelegentliche „Töffel unsererselbst“.
Wenn wir mit menschlicher Fehlbarkeit als Grundannahme arbeiten, finden wir wahrscheinlich schneller zurück auf eine gemeinsame Verständigungsebene, weil wir um Schwächen auch in uns selber wissen – und so eine Brücke zum anderen bauen können.