Oligotropos und die Oligoamory
Der Beginn eines neuen Jahres bietet ja oft zugleich Anlaß zu einem Rückblick auf das Bisherige. Und da ich dies im Januar 2020 erstmals auch getan hatte, möchte ich hiermit eine kleine „Tradition“ beginnen, mit einer erneuten Zusammenfassung meiner bisherigen Expeditionsergebnisse auf dem entlegenen Eiland der Oligoamory.
Das Auftaktjahr 2019 war geprägt von der Offenlegung oligoamorer „Rahmenparameter“.
Dazu zählte die Erkenntnis, daß die Oligoamory deutlich mehr mit Gemeinschaftsbildung und Zugehörigensuche gemeinsam hat als nur mit einem weiteren Machbarkeitsmodell für amouröse Mehrfachkonstellationen. Zwei Meilenstein dafür waren, den Zusammenhang herauszuarbeiten, daß Freiheit und Verbindlichkeit keine einander ausschließenden Gegensätze sind, und daß sich vermutlich hinter allen beginnenden menschlichen Nahbeziehungen nahezu zeitgleich ein unsichtbarer „Emotionalvertrag“ auszubilden beginnt, der wechsel- bzw. allseitig Zuschreibungen hinsichtlich des Gestaltungsspielraumes der Beziehung enthält.
Damit wurde eine Grundlage erkennbar, die zu einem hohen Grad an Bewußtwerdung auffordert, sowohl was die eigenen Potentiale und Hindernisse in punkto Beziehungsfähigkeit angehen, als auch in Sachen Mitgefühl und Kommunikation mit den anderen Beteiligten.
Auf diese Weise begann sich ebenfalls abzuzeichnen, daß „gute oligoamore Beziehungsführung“ ein stetes Engagement für allseitiges Vertrauen (inklusive Selbstvertrauen!) benötigt – und den Mut, sich neuen Entwicklungen und eigenen „blinden Flecken“ zu stellen.
In diesem Sinne stellte sich die Oligoamory als eine Art „Entwicklungsweg in liebenden Beziehungen“ heraus, auf dem alle Beteiligten einander bei der Hervorbringung der „besten Version ihrer selbst“ beistehen und motivieren.
So ging es hinein in das Jahr 2020 – wo es nun wirklich häufig psychologisch wurde.
Im Januar lud ich – aufbauend auf den obigen Ideen – dazu ein, bei der Suche nach dem vermeintlich „Guten“ oder „Besseren“ gar nicht allzu weit in irgendeine verlockendere Ferne zu schweifen, sondern zunächst bei sich selbst und in den bereits vorhandenen Beziehungen Aufwertung, Sorgfalt und In-Friedenheit nachzuspüren.
Da überall dort, wo wir hingehen, wir „uns selbst mitnehmen“, ist dies buchstäblich eine der wichtigsten „Haus“-Aufgaben, da ein gemeinsames Ganzes – wie es Ziel der Oligoamory ist – eine verbindliche Mitte braucht. Und diese, so versuchte ich mit Eintrag 43 darzustellen, muß höchst menschlich sein und auf einem allseitigen Vertrauen errichtet werden, damit es allen Beteiligten erlaubt ist, sich einander auch verwundbar zeigen zu können.
Das Bekennen eigener Unsicherheiten und die Einsicht, daß „Vertrauen“ immer auch den ganz wichtigen Anteil des „sich Anvertrauens“ enthält, führte zu drei Einträgen, die sehr stark von humanistischen Gedanken geprägt waren:
Bereits in 2019 hatte ich dazu eingeladen, in der Oligoamory ein couragierter „Jemand “ zu werden, was ich in Eintrag 44 mit der Komponente erweiterte, in allen Bereichen des Lebens authentisch als die selbe Person aufzutreten. Unseren anderen Beziehungsbeteiligten kommt diese Einstellung in den der Oligoamory so wichtigen Werten Beständigkeit (Konstanz) und Nachvollziehbarkeit (Kohärenz) entgegen, wodurch alle Partner sich gegenseitig Einschätzbarkeit und Wertschätzung gleichermaßen erleichtern.
Eintrag 45 konkretisierte dies, indem ich darin für einen Beziehungsalltag warb, der die wichtige Stellgröße „Vertrautheit“ stärken würde – geprägt von einer Toleranz gegenüber menschlicher Fehlbarkeit, die schließlich zu Akzeptanz und im besten Fall sogar zu Respekt aufwachsen könnte.
In Eintrag 46 folgerte ich schließlich daraus, daß Bewußtmachung und Selbsterkenntnis ihren Ausgangspunkt in unserem Selbstwert haben – in dem Sinne, daß wir es uns selbst Wert sein sollten, uns in unseren liebenden Beziehungen „sicher genug“ zu fühlen, uns und die anderen ganz und gar zulassen zu können. In der (Selbst) Erkenntnis, daß die anderen uns in den meisten Belangen menschlichen Daseins sehr viel ähnlicher sind, als wir meist oberflächlich glauben, liegt nämlich der oligoamore Keim jeder wohlwollenden Sympathie verborgen.
Es folgte meine vierteilige „Geschichte der Oligoamory“ 1 | 2 | 3 | 4 mit der ich zeigte, daß in der Oligoamory
- Unser Potential eigentlich immer größer ist als das, was wir uns zutrauen;
- jede Selbstgestaltung mit der Erlaubnis individuellen Fühlens und dem Zugang zu einem eigenen Seelenleben beginnt;
- Mehrfachbeziehungen dann gelingen, wenn sie eine ausgewogene Synthese aus Selbstverwirklichung und (Klein)Gemeinschaftsbildung repräsentieren;
- es einen steten Prozeß aus Bewußtseinsschaffung, Wahrnehmung, Berechtigung und Teilhabe braucht, damit alle Beteiligten sich auch in einem übergeordneteren Rahmen als wertvoll erkennen können.
In Eintrag 51 subsumierte ich die Ergebnisse dieses Vierteilers hinsichtlich der Dimension und der Tauglichkeit der Oligoamory als eine deontologische Geisteshaltung (klingt kompliziert, bedeutet aber in der Hauptsache, daß bei jeder Zielerreichung der Weg zum Ziel maßgeblicher ist als das letztendliche durchs-Ziel-Gehen – quasi gemäß dem Václav Havel-Zitat: »Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.«), ein humanistisches Menschenbild (wer hätt’s gedacht…) und ein Bemühen um Bewußtheit und Wachheit.
Konsequenterweise dreht sich darum der folgende Eintrag 52 noch einmal um die Themen „Übernahme von (Gesamt)Verantwortung“ und „persönliche Verantwortlichkeit “ innerhalb einer Beziehung.
Eintrag 53 erweiterte danach einen älteren Eintrag (14), wie wir denn unseren Stellenwert in einem gemeinsamen Wertemodell entsprechend einer verbindlichen Liebesbeziehung gut erkennen und zum Ausdruck bringen könnten. Die oligoamore Antwort ist, die anderen Beteiligten „mit in die eigenen Entscheidungen hineinzudenken“ und gleichermaßen zu erleben, wie diese einen selbst bei sich „mit-hineindenken“ würden.
Um dieses Erfahrung zu ermöglichen, zeigte ich in Eintrag 54, daß dazu in solch einem „gemeinsamen Ganzen“, wie einem (Liebes)Beziehungsnetzwerk, eine hohe Übereinstimmung in der Auffassung von Integrität und Verbindlichkeit vorherrschen müssten, da sich nur so Gleichwürdigkeit und allseitiger Respekt füreinander etablieren ließen.
Da solche übereinstimmenden Vorstellungen sich ja nicht von Anfang an automatisch herstellen, ergänzte ich in Eintrag 55, wie das eigene bewußte Bekenntnis zu den anderen Beteiligten bei diesem Prozess helfen kann, indem wir genau auch die eigene Heterogenität und die eigenen Spannungsfelder bekennen dürfen – gerade weil wir dabei die Chance erhalten, endlich einmal unsere reflexhaften Standardreaktionen von Kompensation oder Vermeidung fallenzulassen.
Hierfür fordere ich in Eintrag 56 dazu auf, möglichst alle Gefühle zu fühlen und auszuhalten (nicht nur die „angenehmen“)! und sich damit die Erlaubnis zu geben, sich wirklich von den Gefühlsenergien ergreifen zu lassen, da diese die Quelle echter Empathie und Identifikation sind.
Mit diesem Schritt „outete“ ich meine Oligoamory dann in Eintrag 57 als ganzheitliches System, in dem das aufeinander bezogene Fühlen, Denken und Handeln den Dreh- und Angelpunkt bilden. Auf diese Weise ist jedes Individuum in der Oligoamory sowohl Akteur als auch gleichzeitig erlebender Teil des Ganzen, wodurch ein hoher Grad an „sich-lebendig-fühlen“ erreicht werden kann.
Welches „Rüstzeug“ und welche Fragen bei den ersten Schritten in die Oligoamory günstig wären, wurde Thema in Eintrag 58…
…und in Eintrag 59 widmete ich mich dem Mehrfachbeziehungs-Dauerbrenner Eifersucht, diesmal vom alltäglicheren Aspekt „Neid“ her, woraus sich ergab, daß die meisten von uns immer noch sehr häufig in inneren Abwärtsvergleichen denken, sowie in punkto Mitgestaltung und Selbstwirksamkeit nicht gut genug für sich selbst sorgen.
Eintrag 60 schließlich konkretisierte, was „Hingabe“ in der Oligoamory bedeutet: Der Mut, immer wieder in einer Liebesbeziehung den eigenen Ängsten gegenüberzutreten, um so aktiv einer Beziehungsvergiftung durch erlernte Annahmen und noch unerlöste Lebensfurcht vorzubeugen.
Ihr lieben Leser*innen, wie schnell ist eine „Jahrezusammenfassung“ gemacht.
Gleichzeitig stelle ich dabei fest, wie sehr doch ein bLog mit so einem Thema im Grunde genommen eine Selbstoffenbarung online und in XXL ist…
Denn persönlich muß ich bekennen, daß wohl schon lange kein Jahr mit seinen Geschehnissen im Außen mich selbst so sehr mit alten Ängsten und internalisierten Aufgebrachtheiten konfrontiert hat wie 2020.
Und da ich hier fleißig über die „ideale Oligoamory“ schreibe, hat dies mir sehr deutlich vor Augen geführt, wie es denn in jener Hinsicht tatsächlich um die Grenzen meiner eigenen Beziehungs- und Liebesfähigkeit bestellt ist.
Aktuelles Beispiel: Ich, Oligotropos, habe 2020 eine Bundes- und Landesregierung erlebt, die sich in meiner Wahrnehmung wie meine einstigen autoritären Eltern verhielt: Trotz Nichtgenauwissens und bisweilen eigener Ohnmächtigkeit gegenüber einem hochkomplexen Sachverhalt, wurden mittels einer paternalistischen Diktion von Schuld- und Strafvokabular in schwer berechenbaren Abständen Restriktionen verhängt, die schon in ihrer Formulierung meist gleich die federführende Unanfechtbarkeit inkludierten…
„Boah, der Oligotropos… Ist der jetzt auch so ein covidiotischer Querdenker…?“
STOP
In der Tat ist hier sehr leicht zu sehen, wie schnell die Dinge aus den Fugen geraten können. Und wenn sie das in dieser Art im öffentlichen Diskurs können, wie schnell wird dies dann wohl erst in unseren persönlichen (liebenden) Beziehungen der Fall sein?
Bei Licht betrachtet, wäre ein*e ufobewohnende*r Beobachter*in, die*der mein Innenleben nicht kennen könnte und nur per Fernglas mich mit meiner Umgebung interagieren sähe, ob meiner oben getätigten Aussage sicher zutiefst verwundert. Wahrscheinlich würde sie, er oder es sogar sagen: „Der Oligotropos? Der lebt doch schon unter normalen Umständen quasi wie in Selbstisolation…! Warum ist er plötzlich so aus der Haut gefahren? Es hat sich doch nahezu gar nichts für ihn geändert! Gut ja, er setzt zum Einkaufen nun eine Maske auf. Aber früher ist er auch weder in Urlaub gefahren noch ist er auswärts essen gegangen, nicht in die Disco, fast nie ins Kino, trifft äußerst selten Bekannte, verläßt wenig das Haus, kaum seine Stadt… – was hat er denn jetzt?“ Und diese*r Ufobewohner*in hätte komplett Recht.
Denn unter meiner Oberfläche, unsichtbar für Ufobewohner*innen, zerre ich (um nochmal Frau Estés aus Eintrag 60 zu zitieren) meine eigenen totenschädelzähneklappernden Ängste und Kisten voller konservierter Ressentiments (um mich aus Eintrag 35 selbst zu zitieren) hinter mir her.
Ich kann nicht wissen, welches Urteil die Geschichtsbücher über unsere Jetztzeit und die gegenwärtigen politischen Entscheider*innen einmal fällen werden – aber leider merke ich, wie ich auf die Jetztzeit und die politischen Entscheider*innen reagiere – und bereits Urteile fälle.
Ich trage offensichtlich eine Brille – und wohl auch Hörgeräte – die mir das, was „da draußen“ derzeit geschieht, als „persönlichkeitsrelativierende Fundamentalkritik“ ¹ an mir selbst übersetzen. Ich, der ich aus dem oben zitierten, hochautoritären Elternhaus stamme, sehe konsequenterweise derzeit Werte wie (Handlungs)Freiheit, Autonomie und selbstbestimmtes Denken beschnitten. Hätten in meiner Geburtsfamilie mehr Fürsorge und echtes Mitgefühl eine Rolle gespielt, würde ich ganz sicher einigermaßen anders urteilen und vermutlich viel eher die zahlreichen umsichtigen Akte zum Schutz menschlichen Lebens, von Ideenreichtum und Solidarität sehen, für die ich aber biographisch eine deutlich schlechter trainierte Wahrnehmung habe.
Was wird also in meinen Liebesbeziehungen geschehen, wenn z.B. meine Bestandspartnerin zu mir sagt, daß, weil wir momentan dabei sind, die neue Terrasse anzubauen, ich gerade vielleicht nicht…
Egal was den zweiten Teil ihres Satzes nun konkret ausmachen würde: Meine innere biographische Autobahn (siehe auch Eintrag 36) hat schon auf „bevormundende Einschränkung meiner persönlichen Freiheit“ geschaltet – und in der dann unweigerlich anschließenden Diskussion werde ich fast jedes ihrer Argumente als „persönlichkeitsrelativierende Fundamentalkritik“ ¹ hören – zum Teufel mit radikaler Aufrichtigkeit oder gewaltfreier Kommunikation…
Es würde viel Vertrauen, noch mehr Liebe, jede Menge Ent-Wicklung des traurigen Knochen- und Scherbenhaufens² und reichlich Mut von allen Seiten benötigen, selbst so eine vermeintliche „Kleinigkeit“ wieder einigermaßen in einen Zusammenhang zu bringen, der dem ursprünglichen Gesprächsauftakt angemessen ist. Und das, wo ich bei anderer Gestimmtheit eventuell in der Grundaussage auch Fürsorge für unsere Ressourcen und eine Bitte um Unterstützung hätte hören können…!
Ihr guten Leser*innen: Falls Ihr Euch jemals gefragt habt, in welchem visionären Wolkenkuckucksheim von Mehrfachbeziehungsparadies Euer Oligotropos wohl existieren möchte – und ob beim Niederschreiben seiner Ideale niemals seine Finger über der Tastatur gezögert hätten, dann bekenne ich freimütig: Ja, die Finger haben gezögert (gerade erst vor Kurzem massiv zur Halbzeit von Eintrag 58…) und nein, ein „Mehrfachbeziehungsparadies“ in dem allenthalben vollintegratives Wohlwollen herrscht und wo der stete couragierte Wind des Zumutens und Aushalten weht, das hat er selbst gleichfalls (noch) nicht verwirklicht. Denn auch ich nehme mich selbst überall hin mit, verfolgt von den Gespenstern meiner Vergangenheit und ebenso regelmäßig sabotiert von meinen darauf aufbauenden, allzu verzagten Annahmen über das eventuell Kommende.
Daher möchte ich Euch allen da draußen zusprechen, daß wir gut auf uns selbst achten sollten, gerade weil wir regelmäßig an unserem eigenen Temperament auch immer wieder einmal scheitern und verzweifeln werden.
Dann ist es gut, wenn da noch jemand anders bereit ist, mit einem den nun in der Ecke liegenden Knochen- oder Scherbenhaufen² zu entwirren. Und es ist ein enorm wichtiger Beitrag zu einer verständnisvolleren und friedfertigen Welt, wenn wir einander eingestehen können, daß uns unser eigener Enthusiasmus im Eifer manchmal aus der Kurve trägt, so daß wir ganz plötzlich wieder dem altbekannten Diktat unserer Angewohnheiten und Befürchtungen verfallen: Eingeschliffene – aber sehr lieblose – Bahnen, die uns nur allzu bereitwillig suggerieren möchten, daß wohl, wer nicht eindeutig „für“ – sicherlich doch ganz gewiss „gegen“ uns voreingenommen sein muß. Dabei sind es oft alte Stimmen aus unserer Vergangenheit, die uns da verfolgen und noch heute unsere lebendige Gegenwart kleinreden wollen – uns die Luft und die Sicht nehmen möchten, das wahrzunehmen, was eigentlich gerade „wirklich IST “.
Die irische Folksängerin Ursula O’Keeffe aus Kenmare dichtete dazu einmal die folgenden Worte:
»An dem Tag, an dem unsere Flügel stark geworden sind,
werden wir unsere Chance zum Fliegen ergreifen.
Und wenn unsere Äste hoch aufgewachsen sind,
werden wir den Himmel berühren.
An diesem Tag wird das Leben selbst kommen und uns sacht die Tür auftun,
und unsere Ängste aus vergangenen Tagen uns nimmermehr heimsuchen.«³
Ich wünsche uns allen – da unsere Leben endlich sind – daß wir bis zu diesem Tag nicht mehr gar so viel Zeit verstreichen lassen, bevor wir uns miteinander darin erproben, kühne Flieger*innen und starke Bäume zu sein.
¹ Das Stichwort „Persönlichkeitsrelativierende Fundamentalkritik“ ist hier bei uns zuhause mittlerweile durch viele Diskussionen und gelegentlichen Streitgesprächen zu einem fröhlich-vorsichtigen Signal geworden, wenn die Dinge drohen, zu hitzig zu geraten. Das ist oftmals dann der Fall, wenn eine Gesprächspartei sich durch irgendeine Bemerkung des Gegenübers in den Grundfesten ihres Daseins erschüttert sieht, sich abgewertet oder auch lächerlich gemacht glaubt. Sehr oft hat sich in diesen Fällen nämlich herausgestellt, daß die*der Betroffene dann plötzlich in einem alten Film gefangen ist, in dem frühere innere Kritiker und Beurteiler die empfangene Kommunikationsbotschaft in eine üble Selbstabwertung ummünzten, flankiert von einem modrigen Wust aufwallender einstiger Zurücksetzungen.
In den allerseltensten Fällen ist es jedoch so, daß insbesondere uns in Zuneigung verbundene Gesprächspartner*innen (selbst in Kontroversen!) solch eine Wirkung erzielen wollen.
Dann ist es gut, rasch den eigentlichen Grund der starken inneren Aufruhr in so einem Moment zu ergründen, um herauszufinden, welche tiefer sitzenden Ängste oder Verbitterungen gerade ausgelöst wurden – in der Hoffnung das Gespräch durch diese Wahrnehmung wieder zu einem konstruktiven Miteinander zurückzuführen.
² Mit dem „Knochenhaufen“ beziehe ich mich noch einmal genau auf den „Skelettmenschen“ aus Eintrag 60, den die Psychologin Clarissa Estés dort als Symbol für unser inneres Durcheinander aus Sehnsüchten und Ängsten nutzt.
³ Refrain des Titels „One Day“, 1992 © by Fairing (irisch: féirín = Geschenk); dies ist der Bandname von Ursula und Frank O’Keeffe aus Kenmare, Irland. Ihre musikalische Heimat ist Sliabh Luachra, ein abgelegenes ländliches Gebiet in Südwestirland, nordöstlich der Kerry Mountains.