Eintrag 75 #Konflikt

Erste allgemeine Verunsicherung*

Vor wenigen Wochen war es nach fast auf den Tag genau drei Jahren so weit: Oligotropos befindet sich wieder offiziell in Mehrfachbeziehung!
Daß es bis dahin zwei Coronajahre und einen russischen Einmarsch brauchte…– nun, verbuchen wir diese Tatschen mal unter „Ironie des Schicksals“. Ebenso, daß das erste gemeinsame Date prompt wegen den plötzlich auflaufenden Orkantiefs „Ylenia“ und „Zeynep“ verschoben werden mußte…
Stürmische Zeiten hingegen sind ein gutes Stichwort für meinen heutigen Eintrag, denn wir benötigten dann auch nur ganze zwei Dates, bis auch schon „Gewitter im Paradies“ aufzog, vulgo: Wir unsere erste kleinere Beziehungs(gründungs)krise hatten.
Was war geschehen?
Nun, da es hier auf meinem bLog um die Oligoamory geht, die ich selbst als Unterform der Polyamorie ansehe – und wenn man möchte, auch gewissermaßen um Polyfidelity¹, da ich mit meiner Vorsible „oligo-“ ja nun doch die Beteiligung von eher wenigen Beziehungsteilnehmer*innen bewerbe – könnte ich zuallererst den guten alten Scott Peck hervorholen, der, was Gemeinschaftsbildungsprozesse anging, stets feststellte, daß auf eine erste Phase von Harmonie in Beziehungen im nächsten Schritt unabwendbar eine sogenannte „Chaosphase“ folgen müsse, in der die Ego-Anteile der Beteiligten munter miteinander kollidieren würden (erstmals auf diesem bLog Eintrag 8).

Diese Erkenntnis vorweggenommen, möchte ich hier an dieser Stelle allen Mehrfachbeziehungen, die jetzt vielleicht gerade in irgendeiner Art von Clinch liegen, zusprechen: Keine Panik – vielleicht befindet Ihr Euch gerade (mal wieder) in einer „Chaosphase“.
Habe ich „mal wieder“ gesagt? Ja, das habe ich, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem genialen Scott Peck, der konstatierte, daß in jedem bestehendem Beziehungs- bzw. Gemeinschaftsgebilde die Chaosphase nach einer Zeitspanne der Harmonie periodisch immer wieder aufgesucht werden müsse – und daher auch aufgesucht würde (ob man wolle oder nicht). Scott Peck wandte dazu aber ein, daß nachfolgende „Chaosphasen“ meist (aber durchaus nicht immer…) weniger heftig ausfallen würden, als die ersten Ego-Kollisionen speziell der Anfangs- und Gründerzeit.
Als besonders tröstlich möchte ich erwähnen, daß Scott Peck ebenfalls implizierte, daß – im Vergleich – eine konfliktlose Beziehung vermutlich eher der ungünstigere Indikator für den Grad der Miteinander-Vertrautwerdung sei, da regelmäßige Chaosphasen eindeutige Kennzeichen eines sich vertiefenden Gemeinschaftsbildungsprozesses seien; Beziehung, die hingegen alle Zeit nach außen einträchtig aufträten, höchstwahrscheinlich Gebilde seien, in denen der Ausdruck individueller Unterschiede der Beteiligten darin auf irgend eine Weise unterdrückt wäre.

Was war eigentlich bei mir, bei uns, im konkreten Fall geschehen?
Ich, Oligotropos, hatte dem neu dazukommenden Lieblingsmenschen einen privaten Umstand über den bereits an meiner Seite vorhandenen Lieblingsmenschen mitgeteilt. Schon so oder so nicht unbedingt ein feiner Zug und darum sicher nicht das klügste Manöver, da ich zu dem Punkt den Lieblingsmenschen an meiner Seite bezüglich aktueller Art und Ausprägung diese Umstandes gar nicht mehr eingehender befragt hatte.
Daher operierte ich genau genommen bereits zu diesem Punkt im Reich meiner eigenen Annahmen, was, wie wir aus der „gewaltfreien Kommunikation (GfK, Eintrag 20)“ wissen, höchst ungünstig ist, weil wir dadurch die betroffene Person unmündig machen – und meist allein dadurch schon ein Weg in den Konflikt eröffnen.
Wenn Du das so gut weißt, Oligotropos, warum machst Du das dann?“
Sehr gute Frage. Ich glaube, wenn ich mir das Unwetter in meiner frischen Beziehung von vor mehreren Tagen anschaue, dann bleibt als Hauptmotivation auf allen Seiten vor allem „Angst“ im Sinne von „Unsicherheit“ übrig.
Ich z.B. war mir betreffs meines „Bestandslieblingsmenschen“ und dessen möglicher Reaktionen unsicher. Und daher versuchte ich, gewissermaßen manipulativ, zwei Dinge: Einmal den neu dazukommenden Lieblingsmenschen auf meine Seite zu ziehen (ein Verhalten übrigens, was man in vielen Familien und etablierten Freundeskreisen regelmäßig beobachten kann und welches „Gefangene machen“ genannt wird, indem man frühzeitig versucht, sich unter dem vorhandenen Personenkreis vermeintliche Unterstützer für die eigene Position zu sichern, z.B. à la „Tony, Du hast doch neulich auch gesagt, daß die Mira immer etwas schlampig in der Küche ist; Du meinst doch genauso…“) – und, für mich viel wichtiger: Ich hoffte, durch die Information ein mögliches Verhalten meines neuen Lieblingsmenschen gegenüber meinem vorhandenen Lieblingsmenschen zu verhindern, durch welches ICH danach in eine Stresssituation hätte geraten können. Im Fazit also purer narzisstischer Selbstschutz der Marke „Ich möchte keinen Schmerz fühlen / Tu‘ mir nicht weh.“
An dieser Stelle fällt noch einmal umso mehr auf, wie tief ich bereits an diesem Punkt in einem Annahme-Film eigener Ressentiments gefangen war: Ich bemühte einen Abfangversuch für ein eventuell – aber auch vielleicht nicht – eintretendes Verhalten hinsichtlich eines bis dahin nicht gezeigten und auch möglicherweise gar niemals eintretenden Umstandes. Mein Geist versuchte also bereits eine Karte aus einer ausgelösten Angst heraus zu spielen, daß ja ein Umstand eintreten könnte „genau so, wie ich ihn schon einmal erlebt hatte“. Was ja der Kerngehalt eines „Ressentiments“ ist, bei dem ich zuletzt in Eintrag 70 (aber auch maßgeblich in Eintrag 36) beschrieb, daß unser Verstand leider stets nur in der Lage ist, uns gerade im Zweifelsfall immer bloß eine sehr ungenaue Kopie eines Schmerzerlebnisses aus unserer Vergangenheit als Blaupause für etwaig zu erwartende Umstände darzureichen.
Und das funktioniert obendrein umso schlechter, je weniger bis zu dem Zeitpunkt zusammengetragene Vertrauens-Grundlage wir als Gegengewicht zum Abgleich aufbringen können – womit uns so etwas regelmäßig am Heftigsten zu Beginn neuer Beziehungen erwischen wird.

Gleichzeitig hoffte ich, daß ich mit diesem Hasardeursstück unbeholfener Zweiseitendiplomatie ausreichend gut für potentielle Zwischenfälle zwischen meinen beiden Lieblingsmenschen vorgesorgt hatte, was leider ein häufigeres Dilemma von „Mittelleuten“ (auch „Hinge-Partner“ [von engl. „hinge“ = Scharnier/Angel] auf Dazwischenpositionen in Mehrfachbeziehungen ist, indem man dort schnell dem Glauben verfallen kann, maßgeblich der Harmonie in der Gesamtbeziehung verpflichtet zu sein (nur um, wie wir oben gesehen haben, dadurch erneut Entmündigung zu verursachen, womit meist ein allseitiger Bärendienst erwiesen wird).
Daher lautet Scott Pecks erster Satz in seinem Kapitel „Chaos“ auch passenderweise: „Das Chaos entsteht immer durch gut gemeinte, aber unangebrachte Versuche zu heilen oder den anderen zu ändern.“ Ich hatte mich an beidem probiert – und auch noch mit Ziel einer Zukunft, die eventuell gar nicht eintreten würde…

Durch meinen unklaren Schritt reichte ich den ursprünglichen Staffelstab meine Ängste („Ich möchte keinen Schmerz fühlen / Tu‘ mir nicht weh.“ ) nun an meinen neuen Lieblingsmensch weiter. Und dieser spürte intuitiv korrekt in meinem Handeln nicht den ohnehin etwas gönnerhaften Schutzaspekt, sondern empfand darin sofort die übergriffige sowie bevormundende Einschränkung der eigenen Handlungsfreiheit. Da ich ungeschickterweise auch noch einen Umstand über meinen anderen Lieblingsmenschen in meine Botschaft verpackt hatte, löste dies neben Verstörung zusätzlich noch Drama-Alarm bei dem neu hinzukommenden Teil hinsichtlich der Geklärtheit meiner Bestandsbeziehung aus. Was wiederum kein so großes Wunder war, da ja auch die neu hinzukommende Person, was mich oder meinen anderen Lieblingsmenschen anging, noch auf keine ausreichend etablierte Vertrauensgrundlage aus gemeinsamen Erfahrungen zurückgreifen konnte.
Was allerdings geschah war, daß der von mir in Bewegung gesetzte „Angst-Zug“ nun wiederum in Inneren meines neuen Lieblingsmenschen mit dessen Ressentiments (also grob passenden Vorerfahrungen) neu eingekleidet wurde:
Da sich diese Person selbst als jemand sah, der über weniger Beziehungserfahrung verfügen würde als ich, nahm diese meine Initiative als Versuch auf, ihr – gewissermaßen als „Juniorpartner“ – einen bereits vordefinierten, eng abgesteckten Platz mit nur wenig Handlungsvollmacht innerhalb des sich entfaltenden Beziehungskonstrukts zuzuweisen. Da unsere Beziehung gerade erst begann, verstärkte sich die Angst dahingehend, daß potentiell gar kein Raum für individuelle Beziehungsgestaltung in dyadischer Form (= als Zweierbeziehung nur zwischen ihr und mir) möglich sei und sie sich den Entscheidungen der Bestandsbeziehung – inklusive eines einseitigen Beendens der Beziehung – ausgesetzt sah (quasi Auswirkungen von hierarchische Polyamorie, Einhornstatus und Paarprivileg² in ihren schlimmsten Formen).

In Zeiten schneller Messenger-Dienste kann so etwas eine bemerkenswerte Dynamik annehmen, z.B., wenn – wie bei uns geschehen –, dann sowohl meine Bestandspartnerin als auch natürlich ich mit diesem Bedenken per Nachricht und Bitte um Klärung (zwischen uns als Paar!) konfrontiert wurden.
Meine Bestandspartnerin traf diese Botschaft quasi aus heiterem Himmel (keine gute Startbedingung für einen Konflikt…) und selbst ich mußte zwischen trauriger Überraschung (Wie hatte man mein gutes Ansinnen nur SO mißverstehen können?) und aufwallendem Zorn (Und wie konnte irgendjemand, mich, Oligotropos, überhaupt nur SO wahrnehmen?) verzweifelt sortieren, was mir da eigentlich gerade um die Ohren flog.
Natürlich war der Lieblingsmensch an meiner Seite ebenfalls aus der Fassung, wie er so unversehens als Teil eines hegemonialen Privilegien-Paares gezeichnet wurde – wobei es nicht gerade half, daß die betroffene Person dadurch messerscharf schließen konnte, daß da irgendwo in der allmählich auflaufenden Konfliktkette ein Informationselement existieren mußte, von dem sie bisher als einzige wohl keine Kenntnis hatte…
Und damit erreichte der Angst-Zug den nächsten Bahnhof, wo ein erneutes Ressentiment-Refurbishing erfolgte: Für meine Bestandspartnerin war die Informationslücke gemäß einer mißglückten Vorbeziehung nämlich exakt ein Zeichen von ausgeschlossen- und nicht-ernst-genommen-Werden, wodurch für sie nun wiederum die Warnlampe anging, daß sich bereits zwischen „der Neuen und mir“ eine Informationsblase gebildet hätte, von der sie selbst abgeschnitten sei und überhaupt der neue Lieblingsmensch wohl ohnehin an ihr als Person gar nicht wirklich interessiert sei…

Womit ich durch meine vorauseilende Panikdiplomatie genau das Szenario über mich heraufbeschworen hatte, was ich ursprünglich damit hatte verhindern wollen; klassisches Drama inklusive schlechter Gefühle und getrübter Stimmung auf allen Seiten.

Recht passend vom Bild her scheint mir dazu das Lied „Sieben“ ³ der Pagan-Folk-Gruppe „Faun“, welche darin eine Art Beschwörung zwischen zwei Personen präsentieren, die – sich scheinbar nahe – überlegen eine Beziehung miteinander einzugehen. Zunächst werden Dinge dargeboten, Versprechungen gemacht. Im Laufe des Liedes verändert sich allerdings allmählich die Qualität der Beschwörung von einer Verheißung eher hin zu einer Art Bann. Am Ende heißt es gar: „In Deiner Welt da läge ich falsch – und meinen Ring legst du mir um den Hals […]; Sieben Schritte sind sieben zuviel – Wege führ’n weiter ohne Ziel.“
Dieses fast archetypische Lied wirkt auf mich überaus weise.
Manchmal liegen nur sieben Schritte zwischen uns – aber sogar diese „sieben Schritte“ sind für unsere Ressentiments und unsere Ängste – die sich drauf berufen wollen, daß man der gegenwärtigen Situation ja nicht vertrauen darf – schon zu weit.

Was können wir also tun – gerade wenn wir im Anfangsstadium einer Beziehung stehen – und wir für einen (manchmal langen) Moment den Stimmen glauben möchten, die uns suggerieren, daß es da noch so gar keine Vertrauensbasis gegenüber den anderen gibt?
Was hat mir – und was hat uns am Ende geholfen?

Am allerwichtigsten für mich war es– abgesehen von einem flotten Durchdenken, wie diese „Eisenbahn“ zustande kommen konnte, aus meinem eigenen Angst-Zug bewußt auszusteigen. Dabei aber den Zug anzuerkennen, daß er da ist: „Hey, ja Oligotropos, Du hast Angst, bist verunsichert, fürchtest derzeit schnell, daß Du diese neue zarte Beziehung noch verlieren könntest.“
Dieses Eingeständnis hat mir enorm geholfen – auch weil es mich darin unterstützt hat, dadurch herauszufinden, wie und wo ich von meinem geraden Weg des Fühlens, Denkens und Handelns abgewichen bin, um lieber den verrückten Bocksprüngen eines getriebenen „Was-wäre-wenn“-Szenarios hinterherzulaufen. Der Angst-Zug in mir ist immer noch da, dafür ist die Beziehung schlicht noch nicht lange genug in meinem Leben.
Aber wie der buddhistische Sifu Shi Heng Yi einmal sagte „Freiheit bedeutet, nicht jedem Gedanken in mir nachgeben zu müssen.“ Und das ist für meinen Angst-Zug eine wichtige Botschaft: Er darf da sein – aber ich muß ihn nicht mehr mit einem Bauch voll glühender Kohlen aus meinem Bahnhof herausrasen lassen. Dadurch kann ich auch meinen anderen Lieblingsmenschen viel besser zeigen, was in mir ist – und daß da auch diese Angst ist. Da ich dies aber auf eine verständliche Weise tue – und darin bei mir bleibe – werde ich damit gesehen, und viel eher mit Mitgefühl und Empathie empfangen.

Was mir ebenfalls enorm geholfen hat war, dem berühmten Indianer-Sprichwort zu folgen und „mich einmal in die Mokassin der Anderen hineinzustellen“. Dadurch gelang es mir, deren „Bahnhöfe“, soweit mir möglich war, zu betreten und zu erkennen, wie ich mit meiner eigenen Verunsicherung vor allem exakt diese Verunsicherung (und eben nicht meine recht planlos hineingeflochtene Botschaft) weitergegeben habe, die sich dann in den jeweiligen Ängsten der anderen nur zu leicht weitermanifestieren konnte. Und ich konnte erkennen, daß wir in der Eigenschaft des noch nicht etablierten Grundvertrauens buchstäblich „alle in einem Boot“ saßen – in einer Form, in der niemand von uns dadurch einen vermeintlichen Vor- oder Nachteil davon hatte. Und vor allem konnte ich dadurch erkennen, daß es ungeachtet dessen überhaupt keinen Grund gab, irgendeinem von den anderen zu mißtrauen.

Umso mehr habe ich durch die Auseinandersetzung, die unweigerlich folgte, erneut noch einmal mehr gelernt, Verantwortung für mich und Verantwortlichkeit für mein Handeln zu übernehmen. In Eintrag 11 blogge ich über die guten Gründe, die unserem jeweiligen persönlichen und situativen Handeln zugrunde liegen. Und für uns selbst ist das alles ja auch nachvollziehbar; wir selbst sollten uns – und unsere Beweggründe (ja, auch und gerade die nicht ganz so linearen…) – am Besten kennen.
Wenn wir damit aber bei den anderen Beteiligten Verunsicherung und sogar Schmerz ausgelöst haben, dann müssen wir diese nicht sämtlich mit den anderen Parteien durchdeklinieren, und sei es nur, weil wir uns wünschen, daß wir darin ganz genau verstanden werden. Vielleicht wollen wir für uns damit nämlich doch nur in irgendeinem Argument festhalten, daß wir eigentlich gar nicht anders handeln konnten. Viel wichtiger aber ist, daß wir selbst erkennen, daß wir gerade trotz all unserer wohlbekannten eigenen guten Gründe, ganz und gar nicht gezwungen waren genau so zu handeln. Und manchmal war es schlicht ein nicht ganz so weiser Entschluß, den eigenen Zug aus dem Bahnhof fahren zu lassen, hinaus in die weite Welt, beladen mit alter Angst, situativer Unsicherheit und vorzeitigem Mißtrauen. Daß so eine Fracht da draußen Ersprießliches hervorbringen würde, war doch eher unwahrscheinlich…
Solch ein Zug, der so alsbald zu einer veritablen Eisenbahn mit vielen Wagen heranwachsen wird, befährt aber eben nur ein Gleis – und das führt am Ende lediglich gemeinsam in den Abgrund.
Wenn also „Freiheit bedeutet, nicht jedem Gedanken in mir nachgeben zu müssen“, dann ist es besser, das Bahnhofsgebäude wohlgemut zu verlassen und statt des einen unbarmherzigen Gleises die vielen Wege zu sehen, die es außerhalb davon sonst noch gibt – und bei jeder Kreuzung erneut aufmerksam zu sein, ob etwas wirklich so geschieht, wie wir erwarten würden.



* Zufällig beabsichtigte Ähnlichkeit des Titels mit der gleichnamigen österreichischen Pop-Rockband aus dem Jahr 1977 😉

¹ Polyfidelity ist eine Beziehungsform der polyamoren Nicht-Monogamie, in der alle Mitglieder als gleichberechtigte Partner betrachtet werden und sich darauf einigen, sexuelle oder romantische Aktivitäten nur auf andere Mitglieder der Gruppe auszudehnen. Polyfidele Beziehungen sind in dem Sinne „geschlossen“, als daß die Beteiligten vereinbaren können, keine sexuelle oder romantische Intimität mit jemandem zu haben, der nicht in der Beziehung ist. Neue Mitglieder können z.B. mit einstimmiger Zustimmung der bestehenden Mitglieder in die Gruppe aufgenommen werden, oder die Gruppe ist konzeptionell nicht an einer weiteren Expansion interessiert. Englischer Wikipedia-Link.

² Paar-Privileg: Wenn ein bestehendes Paar zum ersten Mal die Idee der Polyamorie erkundet, kann es sehr verlockend sein, zu versuchen, so viele Elemente der Monogamie wie möglich beizubehalten. Die Lösung, die auf der Hand zu liegen scheint und vielen sofort einfällt, besteht darin, eine bisexuelle Frau zu finden, die mit beiden Mitgliedern des Paares in einer treuen Dreierbeziehung Sex hat. Wenn beide Sex mit derselben Person haben, wird doch niemand eifersüchtig sein, oder? Wenn alle treu sind und niemand mit jemand anderem Sex hat, muß niemand sich Sorgen machen, daß irgendwelche Partner mit der ganzen Welt Sex haben, oder? Und natürlich ist es eine Frau – Bisexualität bei Frauen ist heiß, aber Bisexualität bei Männern ist irgendwie eklig, oder?
Solche legendären Bi-Frauen werden „Einhorn“ genannt und die 1.872.453014 Paare, die nach ihnen suchen, „Einhornjäger“. Der Gedanke, nach einem Einhorn zu suchen, scheint völlig vernünftig zu sein – aber er beruht auf vielen Erwartungen, die die bestehende Beziehung privilegieren, auch wenn es nicht so aussieht. Warum? Weil sich fast nie über die Bedürfnisse des „Einhorns“ Gedanken gemacht wurde. Sie war nicht Teil des Gesprächs – und wie sollte sie auch? Meistens hat man sie ja noch nicht einmal kennengelernt. Wenn man im Voraus für jemanden entscheidet, wie die Regeln einer Beziehung aussehen, so ist das entmündigend. Vor allem aber wurde meist nicht darüber nachgedacht, daß das, was verlangt wird, die ursprüngliche Paar-Beziehung hierarchisch über die Beziehung zu dem „Einhorn“ stellt. Das Paar legt fest, wie viel Raum das „Einhorn“ in der Beziehung einnehmen darf.
Privilegien sind eine heimtückische Sache; es ist sehr schwierig, darüber nachzudenken, wie man seinen eigenen bestehenden Beziehungen einen Haufen unverdienter Vorteile verschafft, wenn man sich nicht einmal bewusst ist, worin diese Vorteile bestehen. (Text nach Franklin Veaux So What Is Couple Privilege, Anyway?)

³ Faun: Sieben von ihrem Album „Totem“, 2007; Link zum Text

Weiterhin einmal mehr danke an den Autor und Gemeinschaftsbildungsspezialisten Scott Peck und sein diesbezügliches Buch „Gemeinschaftsbildung“ (Original: „ A Different Drum“, 1984), 5. Auflage 2017, Eurotopia Verlag
– und Dank an Thanh Công Tử auf Unsplash für das Foto!